Aktiver Reservist werden: Wie ein Interessentenwochende bei den Oldenburger Jägern abläuft
Es ist April auf dem Truppenübungsplatz Bergen und das Interessentenwochenende der Oldenburger Jäger, sprich des Unterstützungsbataillons Einsatz 1. Insgesamt 23 Interessenten haben sich eingefunden, um einen realistischen Einblick in die Aufgaben und Abläufe bei den Oldenburger Jägern zu gewinnen. Die Jäger gehören zu den Kampftruppen und sind vor allem für den Kampf in bebautem oder stark bewaldetem Gelände ausgebildet. Gemeinsam mit den Gebirgs- und Fallschirmjägern gehören sie zur Infanterie. Die Oldenburger Jäger sind als Ergänzungstruppenteil integraler Bestandteil der Divisionstruppen der 1. Panzerdivision. Das Bataillon besteht vollständig aus Soldatinnen und Soldaten der Reserve und hat den Auftrag, die Sicherung der Divisionsgefechtsstände zu gewährleisten.

Donnerstagabend und Freitagmorgen treffen die Reservisten ein, Frauen und Männer aus allen Ecken Deutschlands, manche mit langer Bahnfahrt, andere direkt aus dem Feierabendverkehr. Auf dem Kasernengelände werden alle zunächst eingeschleust, geben Unterlagen ab und erhalten eine erste Einweisung in den Ablauf des Wochenendes. Rasch kommt es zu ersten Gesprächen, einem lockeren Kennenlernen untereinander. Die Gruppe ist bunt gemischt: Einige bringen Vorerfahrung mit, waren bereits als Jäger, Gebirgsjäger oder Fallschirmjäger aktiv – zum Teil auch mit Einsatzerfahrung. Andere kommen frisch aus der Ausbildung Ungedienter und stehen am Anfang ihres Weges als Soldat. Was alle eint, ist die klare Motivation: In der Reserve nicht nur dabei sein, sondern gestalten. Die Oldenburger Jäger bieten dafür die besten Voraussetzungen: Wer hier dient, ist Teil eines echten Teams. Anspruch und Realität treffen hier aufeinander – praxisnah, leistungsorientiert, kameradschaftlich. Diese Mischung sorgt für eine offene, engagierte Stimmung. Egal ob altgedient oder Neuling: man begegnet sich auf Augenhöhe. Jeder bringt etwas mit – Erfahrung, Neugier, Fragen, Motivation. Eine Teilnehmerin fasst es treffend zusammen: „Obwohl ich vorher kaum infanteristische Erfahrung hatte, wurde ich hier sofort integriert und unterstützt. Die erfahrenen Reservisten haben uns Neulingen alles geduldig erklärt und gezeigt. Es war intensiv, aber unglaublich lehrreich.“

Nach Eintreffen aller Interessenten und einer kurzen Begrüßung beginnt der formelle Teil mit dem Ausrüstungsempfang. Mit der anschließenden Befehlsausgabe nimmt die Übung Fahrt auf. Die Leitenden stellen den groben Rahmen des Wochenendes vor, erklären die Zielsetzung und machen klar: Professionalität steht an erster Stelle. Die Interessenten bereiten ihr Gepäck vor, sortieren Ausrüstung und nutzen jede Gelegenheit zum Austausch.
Am Nachmittag geht es auf den Übungsplatz: Rundumsicherung, Biwak einrichten, Schlafplätze vorbereiten, Ausrüstung verstauen. Bereits in den ersten Stunden folgt die Wiederholung grundlegender militärischer Verfahren: Persönliche Tarnung, Bewegungsarten im Gelände und mehr. Mit dem Ende des ersten Tages senkt sich Dunkelheit über das Lager. In der kommenden Nacht wird sich zeigen, wie aufmerksam die Teilnehmer bei der Ausbildung dabei waren.

Am Samstag beginnt der Tag in der der Nacht: Alarmierung! In Trupps zu zwei hasten die Soldaten und Soldatinnen durch die Dunkelheit. Kein Wort fällt. Kommunikation über Handzeichen, kurze Blicke. Dann, endlich: die Böschung. Jeder kennt seinen Platz. Die Soldaten gleiten in ihre Stellungen, beobachten das Vorfeld. Die Augen suchen das Gelände ab, jedes Rascheln wird registriert. Vielleicht nur ein Tier. Vielleicht der Wind. Aber was, wenn nicht? Die Anspannung ist greifbar. Eine fast schon ehrfürchtige Stille liegt über dem Waldrand. Niemand spielt hier Krieg. Alle wissen, dass es im Ernstfall keine Wiederholung gibt. Und dennoch – genau deswegen sind sie hier. Um vorbereitet zu sein. Um zu trainieren, was im Fall der Fälle sitzen muss. Es ist Dienst – für ein Land, für die Kameraden, für die Sicherheit. Später gibt es eine Einführung in die Standard Operating Procedures (SOP): Herstellen der Gefechtsbereitschaft, taktischen Nachladen, Reaktion auf Feindkontakt aus verschiedenen Richtungen und mehr. Eine besondere Möglichkeit besteht in der wechselnden Führung, bei der die Interessenten abwechselnd die Rolle des Gruppenführers übernehmen. Eine Interessentin kommentiert: „Die Drills und SOPs haben mir geholfen, mein Wissen zu vertiefen und mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Ich war beeindruckt, wie strukturiert und professionell das Training ablief. Einiges kannte ich noch aus dem aktiven Dienst. Aber, dass ich mich so schnell wieder einfinden könnte, das hatte ich nicht erwartet.“

Am dritten und letzten Tag beginnt der Morgen mit Frühsport. Nach dem gemeinsamen Training haben alle die Gelegenheit, in Einzelgesprächen mit den Ausbildern und Führungskräften des Bataillons ihre bisherigen Erfahrungen zu reflektieren. Diese Gespräche bieten eine wertvolle Gelegenheit, individuelle Stärken und Potentiale zu besprechen. Ein Ausbilder betont: „Die Kameraden und Kameradinnen haben großes Potenzial gezeigt. Ihre Motivation und Lernbereitschaft sind beeindruckend. Ich bin zuversichtlich, dass sie sich schnell in die jeweiligen Züge integrieren und einen wertvollen Beitrag leisten werden. Die Struktur des Bataillons schafft hier hervorragende Voraussetzungen für ihre Entwicklung.“
Wie geht es weiter? Das Bataillon wächst, die Sollstärke ist noch nicht erreicht. Und für alle 23 Interessenten steht fest: Sie werden sich beordern lassen und in den nächsten Jahren auf Übungen ihren Dienst tun.
Kommandeur Marco Wolfermann zeigt sich zufrieden: „Das Ziel unserer Interessentenwochenenden ist zu sehen, ob es für beide Seiten passt. Dabei ist es selten, dass nach einem Wochenende 100% aller Teilnehmer bei uns weitermachen wollen und dürfen. Ich freue mich, dass es jetzt so gekommen ist und wir auf einen Schlag nahezu um einen Zug wachsen. Jetzt gilt es, die neuen Kameradinnen und Kameraden einzugliedern, zu fordern und zu fördern. Einige werden in unseren Ausbildungszug gehen und dort die Qualifikation Jäger erwerben. Andere, die diese Qualifikation schon mitbringen, werden direkt in die Kampfkompanien integriert. So wird jeder seinen Platz finden.“
Einer der Teilnehmer resümiert: „Ich hatte erwartet, viel über Technik und Taktik zu lernen, aber das Wochenende hat meine Erwartungen übertroffen. Besonders beeindruckt hat mich die Kameradschaft und Professionalität im Bataillon. Man fühlt sich sofort wieder wie im aktiven Dienst.“
Jens Kühn mit Matthias Hammer





